Was uns, die CDU Deutschlands, im Jahr 2024 ausmacht?

31.03.2024

In dem Entwurf für unser neues Grundsatzprogramm, über das im Rahmen des 36. CDU-Bundesparteitags im kommenden Mai abgestimmt wird, wird vorgeschlagen:

„Die Liebe zum Menschen vom Anfang bis zum Ende des Lebens ist der grundlegende Anspruch unserer Politik.“

Denn: „Jeder Mensch ist als von Gott geschaffenes Wesen einzigartig, unverfügbar und soll frei und selbstbestimmt leben.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg, mit den Erfahrungen mit der Gottesferne und ihren katastrophalen Folgen, hat das christliche Menschenbild Zustimmung bei allen großen politischen Kräften in Westdeutschland gefunden. Die Grundrechte, die das Grundgesetz garantiert und schützt, erschließen sich von der Schöpfungsgeschichte her:

„Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn. Männlich und weiblich erschuf er sie.“

Ein Handeln, an dessen Anfang die Verantwortung vor Gott steht – stets mit der Erwartung, dass über das auf Erden Geleistete eines Tages Rechenschaft abzulegen ist –, oder ein Handeln, das orientiert ist alleine an dem Zeitmaß auf der Erde? Politische Urteile fallen grundverschieden aus, je nachdem, wie diese Frage beantwortet wird.

Der größere Konsens für eine Politik in Verantwortung vor Gott hat sich (in der schließlich geeinten) Bundesrepublik abgeschwächt. Bei der Bundestagswahl 1969 verlor die Union die Regierungsverantwortung im Bund: Damals fand das Angebot, Politik aus einer vor allem innerweltlichen Sicht des Menschen zu gestalten, erstmals eine Mehrheit. In der Folge sind abschätzige Parolen wie „Kind, Küche, Kirche“ lauter geworden. Überzeugungen von einem möglichst eigenständigen Zusammenleben in der Verantwortungsgemeinschaft, von der Familie bis hin zur Völkerfamilie, wichen zurück gegenüber Plädoyers für die „Selbstverwirklichung“.

Wie sich in den Abwägungen von Freiheit und Leben Gewichte verschieben, verdeutlichen zahlreiche Stellungnahmen zu der „Freiheit zur Abtreibung", die vor kurzem in Frankreich mit einer großen Mehrheit in der Verfassung verankert wurde. Frankreich ist damit das erste Land weltweit, das solch eine Regelung einführt. Ein „Leuchtturm der Menschenrechte" sei geschaffen worden. Eine „universelle Botschaft“, nennt der französische Präsident die Entscheidung: "Frankreichs Stolz.“ In Anbetracht dessen, dass jeder Vollzug eines Schwangerschaftsabbruchs Leben auch tötet, verstört schon jeder überschwängliche Jubel in der Wortwahl – unabhängig davon, wer sich wie positioniert. Frankreich habe „einen in Europa einzigartigen Schritt gemacht“, verhehlt die Bundesfamilienministerin nicht eigene Genugtuung.

Am Osterfest feiern wir Christen, dass der Tod keine letzte Macht behält. Der Evangelist Johannes macht es im ersten Johannesbrief unmissverständlich deutlich: „Wir haben gesehen und bezeugen und verkünden Euch das ewige Leben.“

Paulus, der Apostel nach eigenem Verständnis, verdeutlicht zum Beispiel in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Thessalonich, wie besonders die Hoffnung ist, die von Ostern ausgeht: „Wir wollen Euch über die Entschlafenen nicht in Unkenntnis lassen, damit Ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben.“

Ihrem Wesen nach aber lässt sich Hoffnung nicht endgültig begrenzen. Und deshalb geht die Hoffnung von Ostern aus über Glaubensgrenzen hinweg. Der Theologe Karl Rahner weist darauf hin: „Dort aber, wo sie ist und das eine Ganze des Menschen trägt, von sich weg trägt auf das Geheimnis hin, das wir Gott nennen, da kann sie, da müsste sie – auch an die Auferstehung Jesu glauben, wenn sie ihn kennt“ … .

Das neue Grundsatzprogramm der CDU Deutschlands bestimmt die eigenen Standpunkte von nirgendwoher mehr als von Ostern aus: „Die Liebe zum Menschen vom Anfang bis zum Ende des Lebens ist der grundlegende Anspruch unserer Politik.“

Es lohnt sich, denke ich, sich das sehr bewusst zu machen – und ebenso das Geheimnis von Ostern. Hören wir das Echo von Mitleid, das nur noch aus dem ganz äußeren Kreis kommt. Pilatus: „Seht doch, der Mensch!“ Der Verbrecher am Kreuz zur Rechten: „Dieser aber hat nichts Unrechtes getan!“

Politik in christlicher Verantwortung ist für das Leben! Sie muss es sein im Angesicht von Krieg, Elend, Vertreibung und Flucht. Sie muss es sein für unsere Lebensgrundlagen und für alle Lebewesen, die Mitgeschöpfe des Menschen sind. Papst Franziskus bringt es in seiner Enzyklika Fratelli tutti (2020) zusammen: „Sorge tragen für die Welt, die uns umgibt und uns erhält, bedeutet Sorge tragen für uns selbst.“

Der Literaturnobelpreisträger der Jahres 1972, Heinrich Böll, der auch bei uns im Rhein-Sieg-Kreis – in Much und in Bornheim – gelebt hat und auf dem alten Friedhof in Bornheim-Merten seine letzte Ruhestätte gefunden hat, schrieb im Jahr 1950, noch unter dem Eindruck des Krieges, die kleine Geschichte: „Steh auf, steh doch auf!"

Sie beginnt mit der Hoffnungslosigkeit vor einem „roh zusammengehauenen Kreuz“ an einem Grab. „Steh auf, sagte ich leise, steh doch auf, und meine Tränen mischten sich mit dem Regen, diesem eintönig murmelnden Regen“ … . Da löst sich ein Schatten aus dem Erdreich, das noch „verwaschene Schleifen“ bedecken, Tannennadeln und kahle Äste. Der Schatten heftet sich an den um die Freundin Trauernden. „Ich beschleunigte meinen Schritt […], vorbei an morschen Telegrafenstangen, die im Dämmer zu schwanken schienen, […]; hinter mir wurde Nacht“ … .

Die Last wird schwerer: „die Last, die ich zu schleppen hatte, die Last der Welt. Mit unsichtbaren Seilen war ich daran gebunden“ … . Am Ende ist es nicht durchzuhalten. Es folgt der Sturz „vornüber aufs Gesicht, die Bindung war zerrissen“. Und plötzlich: die neue, „eine helle Ebene, auf der nun sie stand, sie, die dort hinten in dem kümmerlichen Grab unter schmutzigen Blumen gelegen hatte, und nun war sie es, die […] zu mir sagte: Steh auf, steh doch auf..., aber ich war schon aufgestanden und ihr entgegengegangen.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Familien frohe, gesegnete Ostertage!

Vielen Dank für Ihre Verbundenheit!

Ihr

Oliver Krauß