Dr. Norbert Röttgen MdB - Europa: Eine Frage von Sein oder Nichtsein

04.04.2019

Liebe Mitglieder der CDU Rhein-Sieg,

während sich die Welt fundamental verändert, während Allianzen sich auflösen und wir uns selbst auf die Einhaltung der europäischen Friedensordnung nicht mehr verlassen können, stehen wir vor der zentralen Frage: Welche Rolle will Europa in der neuen Weltordnung spielen?

Jahrzehntelang war die europäische Integration ein Projekt nach innen - mit dem Flaggschiff des Binnenmarktes. Mit der Handelspolitik hat er auch eine äußere Komponente gewonnen, aber eine eigenständige außenpolitische Rolle war damit nicht verbunden. Jetzt zwingt uns die geopolitische Lage dazu, zum eigenständigen Akteur zu werden. Wir können uns nicht mehr uneingeschränkt darauf verlassen, dass andere unsere Interessen vertreten. Europa muss erwachsen werden.

Aber wie kann das gehen?
Wo immer möglich, sollte das Europa der 28 oder - im Falle eines Brexit - der 27 Mitglieder die Antwort geben. Gemeinsam ließe sich zum Beispiel eine neue Handelspolitik gegenüber Afrika umsetzen, die auf Marktöffnung für afrikanische Produkte setzt und damit afrikanische Staaten vom Hilfeempfänger zum gleichwertigen Partner aufwertet.
In den Bereichen, in denen die EU derzeit nicht gemeinsam handlungsfähig ist, müssen einzelne Staaten vorausgehen - immer im europäischen Geiste und offen für alle. Hier halte ich drei Aufgaben für besonders dringlich: Erstens sollten Frankreich und Deutschland vorangehen beim Aufbau eines gemeinsamen europäischen 5G-Netztes - als Markt und in der technologischen Umsetzung. Zweitens sollten die Mitgliedstaaten, die dazu bereit sind, beginnen, gemeinsame militärische Übungen durchzuführen. So könnte Kosten gesenkt, eine gemeinsame Verteidigungskultur gefördert und das Gemeinschaftsgefühl gestärkt werden. Und drittens sollte sich eine Gruppe von Staaten im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zusammenschließen, um zunächst in ausgewählten Feldern eng zu kooperieren, eine gemeinsame Politik zu formulieren und international zu vertreten.

Wir brauchen wieder eine europäische Vision. Und wir müssen bereit sein, dafür etwas zu tun. Ich teile die Einschätzung von Emmanuel Macron, dass die Lage Europas von historischem Ernst ist.
Wenn Europa zerfällt, dann werden wir in einigen Jahren ein Haufen sympathischer Zwerge sein, die zu schwach sind, für ihre eigenen Interessen einzustehen. Damit würde der Staat als Schutzmacht des Einzelnen ausfallen. Ein starkes, einiges Europa ist für uns also nicht weniger als eine Frage von Sein oder Nichtsein.

Am 26. Mai geht es um viel. Zum ersten Mal steht Europa vor der Situation, scheitern zu können.
Deshalb möchte ich Sie heute sehr herzlich bitten: Nutzen Sie die Zeit bis zur Europawahl, um in Ihrer Familie und in Ihrem Freundeskreis zu werben: Für unseren Kandidaten Axel Voss und für Europa!
Damit es uns nicht geht wie den vielen Briten, die sich nicht an dem Referendum beteiligt haben, weil sie dachten, es würde schon gutgehen, auf sie käme es nicht an - und die jetzt bitter bereuen, ihre Stimme für Europa nicht abgegeben zu haben.

In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich

Ihr Norbert Röttgen
MdB, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses